Kapitel 28:
Vergebung statt Rachsucht
Rachsucht und unbeherrschter Zorn sind abscheulich; aber Sünder sind Meister darin. Der HERR übersieht kein Unrecht; wer sich rächt, muß mit der Rache des HERRN rechnen. Wenn jemand dir Unrecht getan hat, verzeih ihm! Dann wird der HERR auch deine Schuld vergeben, wenn du ihn darum bittest. Aber wenn du einem anderen gegenüber unversöhnlich bleibst, kannst du beim HERRN keine Vergebung erwarten. Wenn du kein Erbarmen hast mit einem anderen Menschen, einem Sünder wie du selbst einer bist, wie kannst du dann um Vergebung deiner Schuld beten? Wer soll deine Verfehlungen aus der Welt schaffen, wenn du anderen ihre Fehler nachträgst, obwohl du ein vergänglicher Mensch bist? Denk an dein Ende, an Tod und Verwesung, die dich erwarten; hör auf zu hassen und halte dich an die Gebote! Denk an die Vorschriften des Bundes, den GOTT, der Höchste, mit uns geschlossen hat! Anstatt einem Mitmenschen nachzutragen, was er dir angetan hat, übersieh es!
Warnung vor Streitsucht
Halte dich aus Streitereien heraus, dann hast du weniger Gelegenheit, Unrecht zu tun. Denn einer, der sich in Zorn redet, facht den Streit an. Ein boshafter Mensch bringt Freunde auseinander, er stiftet Feindseligkeit zwischen Leuten, die sich gut verstehen. Je mehr Brennstoff, desto heißer das Feuer; je größer der Starrsinn, desto hitziger der Streit; und je mächtiger und reicher einer ist, desto mehr kann er sich erlauben, wütend zu werden. Eine unvorhergesehene Meinungsverschiedenheit kann ein Feuer entflammen, und ein hitziger Streit führt leicht zu Blutvergießen. Du kannst einen Funken anblasen, dann wird er zur Flamme; du kannst auch darauf spucken, dann verlöscht er - und beides machst du mit demselben Mund!
Warnung vor der bösen Zungen
Fluch über die Verleumder und Lügner! Sie haben schon viele, die im Frieden miteinander lebten, ins Unglück gestürzt. Viele sind durch verleumderische Zungen in Schwierigkeiten geraten, viele mußten ihre Heimat verlassen; feste Städte sind durch Verleumdung zerstört worden, und angesehene Männer haben ihre Häuser verloren. Verleumder sind schuld, daß tüchtige Frauen fortgejagt und um den Ertrag ihrer mühevollen Arbeit gebracht wurden. Wer auf Verleumdung achtet, hat keine ruhige Minute mehr; um seinen Frieden ist es geschehen. Mit einer Peitsche kann man Striemen schlagen, mit der Zunge kann man Knochen zerschlagen. Durch scharfe Zungen sind mehr Menschen ums Leben gekommen als durch scharfe Schwerter. Du kannst dich freuen, wenn du ihr eisernes Joch nie auf dem Nacken und ihre schweren Ketten nie an den Füßen gespürt hast! Der Tod, den sie bringt, ist schlimm; aber tot sein ist besser, als unter ihrer Gewalt zu leben.
Über Menschen, die GOTT ernst nehmen, hat sie keine Macht; sie können nicht von ihren Flammen versengt werden. Aber alle, die den HERRN verlassen, fallen ihr zum Opfer. Sie flammt unter ihnen auf und verlischt nicht mehr. Sie wirft sich auf sie wie ein Löwe und reißt sie in Stücke wie ein Leopard.
Deinen Grundbesitz umgibst du mit einer Dornenhecke; du solltest auch für deinen Mund eine Tür mit Schloß und Riegel machen! Dein Geld schließt du sorgfältig ein. Geh genauso sorgfältig mit deinen Worten um, leg jedes von ihnen auf die Waage! Paß auf, daß du nicht über deine eigenen Worte stolperst und gerade dem vor die Füße fällst, der schon darauf wartet!
Kapitel 29:
Über Darlehen
Wer mit seinem Nachbarn fühlen kann, ist auch bereit, ihm etwas zu leihen. Wer anderen aus der Not hilft, befolgt die Gebote GOTTES. Wenn der andere etwas braucht, dann leih es ihm; und wenn du ihm etwas schuldest, dann zahl es ihm pünktlich zurück! Halte, was du versprochen hast! Dann hat man Vertrauen zu dir und leiht dir jederzeit, was du brauchst.
Manche betrachten ein Darlehen als einen glücklichen Fund, den man behalten kann, und bringen die in Schwierigkeiten, die ihnen ausgeholfen haben. Bevor solch einer das Geld eines anderen kriegt, küßt er ihm die Hand und redet im unterwürfigsten Ton. Doch wenn es ans Zurückzahlen geht, schiebt er es immer wieder hinaus und sagt, wie leid es ihm tut, aber die Zeiten seien gerade so schlecht. Kann er zurückzahlen, so bringt er kaum die Hälfte und tut, als brächte er etwas Gefundenes zurück. Kann er es nicht, so ist der Gläubiger sein Geld los. Dafür bekommt er einen ungewollten Feind, der ihn mit Flüchen, Schimpfworten und Verachtung belegt, statt ihm zu danken. Darum wollen viele nicht mehr leihen. Sie sind nicht hartherzig, sie wollen nur nicht unnötig betrogen werden.
Über die Hilfsbereitschaft
Trotzdem: Sei großherzig gegenüber dem Bedürftigen, laß ihn nicht auf deine Hilfe warten! Unterstütze den Armen, wie der HERR es befohlen hat; schick ihn in seiner Not nicht mit leeren Händen zurück! Gib dein Geld lieber für einen Bruder oder Freund aus, als es unter irgendeinem Stein zu vergraben, wo es verrottet! Verwende deinen Reichtum, wie GOTT, der Höchste, es angeordnet hat; das bringt dir mehr ein als dein Gold. Wohltaten, die du anderen erwiesen hast, kannst du als Juwelen in deiner Schatzkammer betrachten; sie werden dir aus jedem Unglück heraushelfen. Sie werden dich besser gegen deine Feinde verteidigen als der festeste Schild und der schwerste Spieß.
Über Bürgschaften
Ein guter Mensch übernimmt die Bürgschaft für die Schulden seines Nachbarn. Nur einer, der jedes Anstandsgefühl verloren hat, läßt ihn im Stich. Wenn einer dir den Gefallen getan hat, für dich zu bürgen, vergiß es ihm nicht! Er hat sich selbst für dich aufs Spiel gesetzt. Nur ein Schurke ruiniert seinen Bürgen, nur wer keine Dankbarkeit kennt, läßt seinen Retter im Stich. Bürgschaft hat schon viele Wohlhabende zugrunde gerichtet und sie wie Wellen im Meer hin und her geworfen, von einer Schwierigkeit in die andere. Einflußreiche Männer haben dadurch Haus und Heimat verloren und mußten in fremden Ländern umherirren. Ein schlechter Mensch, der sich in Bürgschaften stürzt, weil er damit Geschäfte machen will, sieht sich auf einmal in Prozesse verwickelt. Hilf deinen Mitmenschen, so gut du kannst; aber paß auf, daß dich keiner hereinlegt!
Über das Leben zu Hause und unter Fremden
Das Wichtigste, das man zum Leben braucht, sind Wasser, Brot, Kleidung und ein Heim, wo man für sich sein kann. Lieber ein Leben in Armut unter dem eigenen Bretterdach, als ein Schlemmerleben in fremden Häusern. Sei zufrieden mit dem wenigen oder vielen, das du hast; dann hörst du von niemand den Vorwurf, ein fremder Eindringlich zu sein. Von Haus zu Haus ziehen zu müssen, ist kein Leben. Und weil du fremd bist, darfst du nirgendwo den Mund aufmachen. Du lädst andere zum Essen und Trinken ein, und keiner dankt dir dafür. Im Gegenteil, du bekommst noch herabsetzende Worte zu hören: Los, Fremder, deck den Tisch!" Bringe her, was du zu essen hast! Verschwinde, Fremder! Ich erwarte einen wichtigen Gast. Mein Bruder kommt mich besuchen, da brauche ich das Haus.
Als Fremder beschimpft und als Darlehensgeber auch noch beleidigt zu werden, das ist für einen empfindsamen Menschen schwer zu ertragen.
Kapitel 30:
Über Kindererziehung
Wer seinen Sohn liebt, gibt ihm häufig den Stock zu spüren; dann kann er sich später über ihn freuen. Wer seinen Sohn gut erzieht, wird seine Freude an ihm haben und kann im Kreis der Bekannten stolz auf ihn sein. Wer seinem Sohn etwas beibringt, macht seine Feinde neidisch, und seinen Freunden gegenüber strahlt er vor Glück. Stirbt der Vater, so ist es, als sei er gar nicht gestorben; den er hat sein wahres Ebenbild hinterlassen. Solange er lebt, freut er sich beim Anblick seines Sohnes, und wenn er stirbt, hat er nichts zu bereuen. Er hinterläßt einen, der ihn an seinen Feinden rächen kann und seinen Freunden die verdiente Dankbarkeit erweist.
Wer seinen Sohn verwöhnt, muß ihm ständig unnötige Wunden verbinden, und beim kleinsten Schrei fährt ihm der Schreck in die Glieder. Ein gebändigtes Pferd wird störrisch, und ein Sohn, dem man die Zügel schießen läßt, wird unberechenbar. Sei zu zärtlich mit deinem Kind, und du wirst böse Überraschungen erleben. Mach dauernd Scherze mit ihm, und es wird dir Kummer machen. Deshalb lach nicht zuviel mit ihm, sonst mußt du später seinetwegen weinen oder vor Ärger mit den Zähnen knirschen. Solange es Kind ist, laß ihm nicht seinen Willen! Solange es klein ist, gib ihm tüchtig was hinten drauf, sonst wird es widerspenstig und gehorcht dir nicht mehr. Erzieh deinen Sohn und mach etwas Gutes aus ihm, damit er dir keine Schande macht!
Über die Gesundheit
Arm sein, aber gesund und kräftig, ist besser als reich sein, aber an allen möglichen Krankheiten leiden. Ein gesunder Körper ist besser als Gold und ein fröhlicher Sinn besser als Perlen. Kein Reichtum ist mehr wert als die Gesundheit und kein Glück größer als ein fröhliches Herz. Tot sein und für immer Ruhe haben ist besser als ein elendes Leben mit nicht endender Krankheit. Was soll das beste Essen, wenn man zu krank ist, um den Mund aufzumachen? Ebensogut könnte man es auf ein Grab stellen. Was soll ein Götzenbild mit einem Speisopfer anfangen? Es kann doch weder essen noch riechen! Genauso geht es einem, dem der HERR mit Krankheit zusetzt. Er sieht das schöne Essen und seufzt, wie ein Eunuch, der ein Mädchen umarmt.
Gib dich nicht dem Trübsinn hin, quäle dich nicht selbst mit nutzlosem Grübeln! Freude und Fröhlichkeit verlängern das Leben des Menschen und machen es lebenswert. Überrede dich selbst zur Freude, sprich dir Mut zu und vertreibe den Trübsinn! Der hat noch nie jemand geholfen, aber viele hat er umgebracht. Eifersucht und Ärger verkürzen das Leben, und Sorgen machen vorzeitig alt. Ein fröhliches Herz sorgt für guten Appetit und auch für gute Verdauung.
Kapitel 31:
Über die Gefahren des Reichtums
Sorgen um den Reichtum vertreiben den Schlaf, und Schlaflosigkeit zehrt am Körper. Ständiges Sorgen läßt nicht zur Ruhe kommen und verhindert den Schlaf wie eine schwere Krankheit.
Der Reiche müht sich ab mit dem Sammeln von Geld und Gut, und wenn er sich ausruht, genießt er seinen Reichtum. Der Arme müht sich ab, um schlecht und recht leben zu können, und wenn er sich ausruht, muß er hungern.
Wer das Geld liebt, bleibt nicht schuldlos; wer immer reicher werden will, wird vom Reichtum verführt. Das Gold ist schon manchem zum Verhängnis geworden, ganz plötzlich sah er sich ruiniert. Für alle, die ihm verfallen sind, ist es eine Falle; jeder Unverständige gerät hinein.
Wie glücklich ist einer, der reich wird, ohne schuldig zu werden, weil er nicht hinter dem Geld her ist! Wo ist solch ein Mensch? Wir möchten ihm gratulieren; denn er hat ein Wunder vollbracht, das noch keinem gelungen ist. Wer diese Prüfung bestanden hat, darf stolz sein. Hat er eine Gelegenheit zum Sündigen gehabt und sie nicht genutzt? Konnte er jemand betrügen und hat es nicht getan? Dann wird sein Glück von Dauer sein, und in der Gemeinde wird man seine Wohltaten aufzählen.
Vom Maßhalten beim Essen und Trinken
Wenn du an einem reich gedeckten Tisch sitzt, dann laß nicht vor Staunen den Mund offenstehen und sag auch nicht: Das ist mehr, als ich essen kann! Denk daran, wie häßlich gierige Augen sind! von allem, was geschaffen wurde, ist nichts schlimmer als das Auge. Darum muß es auch so oft weinen! Streck nicht die Hand aus nach etwas, worauf dein Tischnachbar blickt; sonst stößt du mit seiner Hand in der Schüssel zusammen. Laß dir von deinem eigenen Gefühl sagen, was der andere empfindet, und überlege dir genau, was du tust! Was man dir vorsetzt, das iß wie ein Mensch! Schling es nicht in dich hinein, das kann niemand ausstehen! Zeig, daß du dich benehmen kannst, und hör als erster auf zu essen! Stopf dich nicht voll, sonst fällst du unangenehm auf! Wenn du mit mehreren zusammen bei Tisch sitzt, dann sei nicht der erste, der zulangt! Einer, der sich benehmen kann, braucht nicht viel, um genug zu haben. Wenn er sich dann schlafen legt, hat er auch keine Atembeklemmungen. Wer sich den Magen vollschlägt, bekommt Bauchschmerzen und kann nicht schlafen. Wer beim Essen bescheiden ist, hat einen gesunden Schlaf, wacht am Morgen früh auf und fühlt sich wohl. Wenn man dich genötigt hat, mehr zu essen, als du verträgst, geh nach draußen und brich es aus, dann fühlst du dich besser. Hör auf mich, mein Sohn, schlage meinen Rat nicht in den Wind! Eines Tages wirst du mir recht geben. Bei allem, was du tust, sei vernünftig, dann wirst du auch nicht krank!
Ein glänzender Gastgeber wird von allen gepriesen, ein ausgezeichneter Ruf ist ihm gewiß. Über einen knauserigen Gastgeber hingegen schimpft die ganze Stadt, sein Ruf ist genauso schlimm wie er selbst.
Spiel beim Weintrinken nicht den starken Mann; der Wein hat schon viele schwach gemacht. Wie der Glühofen gehärteten Stahl erprobt, so zeigt der Wein den Charakter überheblicher Menschen, die sich streiten. Der Wein kann dem Menschen Leben einflößen, wenn er ihn mäßig trinkt. Was wäre das Leben ohne Wein? Er war doch von Anfang an da, um uns zu erfreuen! Zur rechten Zeit und mäßig getrunken, gibt der Wein eine heitere Stimmung und ein fröhliches Herz. Doch im Übermaß getrunken, versetzt er in schlechte Laune, macht gereizt und streitsüchtig. Wenn ein Dummkopf betrunken ist, steigert sich sein Ärger zum öffentlichen Ärgernis. Sein Rausch nimmt ihm alle Kraft und bringt ihm außerdem noch Schläge ein. Wenn du zusammen mit einem anderen trinkst, mach ihm keine Vorhaltungen! Spotte nicht über ihn, wenn er in Stimmung geraten ist! Beschimpfe ihn nicht und komm ihm vor allem nicht mit den Schulden, die er dir zurückzahlen soll!
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